From the river to the sea... strafbar? Strafbarkeit nach § 86a StGB.
Strafbarkeit nach § 86a StGB
Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit der sehr aktuellen strafrechtlichen Problematik auseinander, ob der Slogan „From the river tot the sea“ strafbar ist. Während eine Strafbarkeit nach § 130 StGB unstreitig – mangels Inlandsbezuges – ausscheidet sowie eine Strafbarkeit nach § 140 StGB nur bei hinzutreten besonderer Umstände in Betracht kommt, wird die Frage nach der Strafbarkeit nach § 86a StGB derzeit von den Strafgerichten und den Verwaltungsgerichten sehr unterschiedlich beantwortet.
Argumente gegen Strafbarkeit.
Anhand von einschlägigen Rechtsprechungen zu dieser Thematik wurden nachfolgend die Argumente zusammengetragen, die gegen eine Strafbarkeit des Slogans „From the river to he sea…“ sprechen. Die zentralen Argumente wurden dabei der Entscheidung des Landgerichts Mannheims entnommen, welches mit Beschluss vom 29.05.2024 eine Strafbarkeit des Slogans „From the river tot he sea…“ nach § 86a StGB sehr instruktiv und lehrreich verneint hatte. Es ist – soweit ersichtlich – eines der ersten Entscheidungen eines Landgerichts zur Frage nach der Strafbarkeit der Parole nach § 86a StGB.
Was erwartet Sie in dem Beitrag?
Aktuelle Entscheidungen
Es wird auf aktuelle Urteile hingewiesen
Urteil AG Essen
Anmerkung der Entscheidung des AG Essen.
Urteil AG Düsseldorf
Anmerkung der Entscheidung des AG Düsseldorf
Strafbarkeit § 86a StGB
Argumente die gegen eine Strafbarkeit sprechen
Ermittlungsverfahren
Tipps, wenn gegen Sie ein Ermittlungsverfahren läuft
Vorladung durch Polizei
Tipps, was Sie tun sollten, bei einer Vorladung durch die Polizei
Aktuelle Gerichtsverfahren
Revision vor dem OLG Düsseldorf
Demnächst wird sich auch das OLG Düsseldorf zu dieser höchstinteressanten aber auch sehr anspruchsvollen Thematik befassen müssen, ob der Slogan "From the river to the sea" strafbar ist, da ich gegen das Urteil des AG Düsseldorf vom 07.06.2024 Revision eingelegt habe. Meine Mandantschaft wurde für das Hochalten eines Plakates mit der Aufschrift "From the river to the sea, Palestina will be free" auf einer Demonstration in Düsseldorf Anfang November 2023 wegen Billigung von Straftaten (§140 StGB) und dem Verwenden verbotener Kennzeichen (§ 86a StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt. Jetzt entscheidet das OLG Düsseldorf.
Freispruch vor dem AG Essen
Das Amtsgericht Essen hat meinen Mandanten mit Urteil vom 24.07.2024 vom Tatvorwurf des § 140 Nr. 2 StGB (Billigung von Straftaten freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft Essen führte ein Ermittlungsverfahren gegen meinem Mandanten wegen des Verdachts der Billigung von Straftaten. Es beantragte den Erlass eines Strafbefehls. Diesen lehnte das AG Essen jedoch ab, ohne den Angeklagten persönlich zur Sache anzuhören und terminierte eine Verhandlung in dieser Sache. Es kam somit zur Hauptverhandlung vor dem AG Essen.
Was war passiert?
Mein Mandant postete Mitte Oktober 2023 in den sozialen Netzwerken unter einem Beitrag über den Fußballspieler El Ghazi vom FSV Mainz 05 den Satz "From the river to the sea, Palestina will be free" und bekundete damit in erster Linie seine Solidarität mit dem Mainzer Fußballspieler und den palästinensischen Zivilisten im Gaza-Streifen. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen der Billigung von Straftaten gem. § 140 Nr. 2 StGB gegen meinen Mandanten eingeleitet. Meinem Mandaten wurde vorgeworfen, dass er mit diesem Slogan/ dieser Parole den Angriff der Hamas am 07. Oktober 2024 gutheißen würde und diesen gebilligt hätte.
Hauptverhandlung vor dem AG Essen
In der Verhandlung vor dem Amtsgericht Essen konnten wir den Tatvorwurf widerlegen und die Behauptung, mein Mandant hätte damit den terroristischen Anschlag der Hamas auf Israel im Oktober 2023 gebilligt und befürwortet, erfolgreich zurückweisen. Das AG Essen folgte in seiner mündlichen Urteilsbegründung unserer Argumentation, wonach der Straftatbestand des § 140 StGB nur dann erfüllt sei, wenn die Äußerung so konkret beschrieben ist, dass sie ohne zusätzliches Wissen unter einer der in § 140 StGB genannten Tatbestände subsumiert werden kann. Erforderlich ist somit, dass die Äußerung eindeutig, unmissverständlich und ohne Weiteres aus der Kundgebung selbst zu erkennen ist, so dass eine andere Interpretation/ Deutung der betreffenden Aussage ausgeschlossen werden kann.
Freispruch vor dem AG Essen
Im Falle der Parole/ des Slogans "From the river to the sea, Palestina will be free" ist das nach Ansicht des Amtsgerichts Essen gerade nicht der Fall, da dieser Slogan unterschiedliche Interpretationen zulässt und gerade nicht unmissverständlich und unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass damit eine der in § 140 StGB genannten Tatbestände gebilligt werden soll. Infolgedessen wurde mein Mandant vom Vorwurf der Billigung von Straftaten gem. § 140 StGB freigesprochen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Es wird erwartet, dass die Staatsanwaltschaft Essen gegen dieses Urteil Revision einlegen wird und der Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm landet.
Verhandlung vor dem AG Braunschweig
Auch das AG Braunschweig wird demnächst die Frage nach der Strafbarkeit des Slogans nach § 86a StGB beantworten müssen, da mein Mandant gegen den Strafbefehls Einspruch eingelegt hat. Jetzt wird der Fall vor dem AG Braunschweig verhandelt, ob der Slogan "From the river to the sea" den Straftatbestand des § 86a StGB erfüllt.
Anmerkung zum Urteil des AG Essen
Enger und zeitlicher Zusammenhang nicht entscheidend.
Das Urteil des Amtsgerichts Essen ist nicht nur konsequent und folgerichtig, sondern zeigt vor allem auf, dass es für eine Verurteilung nach § 140 StGB nicht auf den zeitlichen und engen Zusammenhang einer Aussage ankommt die "gebilligt" werden sollen. Entscheidend ist lediglich, dass die Äußerung von einem durchschnittlichen Erklärungsempfänger so verstanden wird, dass mit der Aussage eine der in § 140 StGB genannten Taten gebilligt/gutgeheißen/befürwortet wird, wobei die Äußerung so verständlich und unmissverständlich sein muss, dass eine anderer Deutung/ Interpretation der Aussage ausgeschlossen ist und sie somit keinen Spielraum zulässt, um die Aussage anderweitig zu interpretieren.
Entscheidung des AG Essen ist folgerichtig.
Diesen Anforderungen wird das Urteil des Amtsgerichts Essen gerecht, da der Slogan/ die Parole "From the river to the sea, Palestina will be free" bezogen auf die Taten in § 140 StGB gerade nicht eindeutig und unmissverständlich ist, sondern zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten eröffnet, so dass in dem konkreten Fall eine zu Gunsten des Angeklagten betreffende Auslegung nicht ausgeschlossen werden kann und die Parole somit nicht eindeutig, unmissverständlich, unmittelbar und aus sich heraus ein Gutheißen/ Billigen der in § 140 StGB genannten taten erkennen lässt.
Beispiele zur Strafbarkeit § 140 StGB.
Beispiel 1: Ein Vater nahm mit seinen Kindern an einer Pro-Palästina Demonstration teil. Dabei verkleidete er seine Kinder als "Selbstmordattentäter" (Sprengstoffgürtelattrappe und Stirnbänder). Das Landgericht Berlin (Urteil vom 12.05.2004) sah darin eine Billigung von Straftaten nach § 140 StGB, da der Vater mit einer solchen Handlung (hier: die schlüssige Billigung der Selbstmordanschläge im Nahen Osten) zum Ausdruck gebracht hätte, dass er die begangen Taten befürwortet und sie billigt.
Beispiele zur Strafbarkeit § 140 StGB.
Beispiel 2: Nach der Tötung von Osama Bin Laden durch ein US-Spezialkommando äußerte sich die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel 2011 in einer Pressekonferenz wie folgt zum Tode von Bin Laden: "Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten". Mit dieser öffentlichen Äußerung hat die damalige Bundeskanzlerin eine in den § 140 StGB normierten Taten gebilligt - und zwar unstreitig und unzweifelhaft.
Anmerkung zum Urteil des AG Düsseldorf
Begründung überzeugt nicht.
Die Urteilsbegründung des AG Düsseldorf überzeugt aus mehreren Gründen nicht und zeigt beispielhaft auf, wie die Gerichte hierzulande den Betroffenen das Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG absprechen und den Betroffenen eine Nähe zur Hamas unterstellen ohne die historischen Hintergründe des Slogans kritisch zu hinterfragen. Eine Verurteilung wegen § 86a und § 140 StGB ist nach Ansicht des Verfassers zu Unrecht ergangen. Die besseren Argumente sprechen gegen eine Strafbarkeit und somit für einen Freispruch meiner Mandantschaft, was sich insbesondere aus den nachfolgenden verkürzten Argumenten ergibt.
Folgende Argumente sprechen gegen die Entscheidung des AG Düsseldorf.
Slogan ist kein Kennzeichen
Bei dem Slogan „From the river to the sea – Palestina will be free” handelt es sich – wie schon zutreffend vom LG Mannheim und AG Mannheim ausgeführt – um eine formelhafte Wendung und um einen Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung. Diese sind jedoch nicht tatbeständsmäßig nach § 86a StGB.
Kein Zueigenmachen durch Hamas
Rechtsfehlerhaft geht das Amtsgericht Düsseldorf davon aus, dass ein gewichtiges Indiz für ein Zueigenmachen des Slogans durch die HAMAS die Charta der Hamas unter Punkt 20 sei sowie die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) vom 02.11.2023.
Verbotsverfügung des BMI kein Indiz.
Die Verbotsverfügung des BMI vom 02.11.2023 kann unter keinen Gesichtspunkten ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass es sich bei der Parole um eine solche der HAMAS handelt. Zum einen verkennt das AG Düsseldorf, dass Verbotsverfügungen zwar auf der Rechtsfolgenseite zwingend ein Kennzeichenverbot vorsehen, jedoch nicht regeln, welche spezifischen Kennzeichen verboten sind. Diese Aufgabe obliegt allein der Judikatur. Zum anderen bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verbotsverfügung, Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, staatliche Neutralitätspflicht und Bestimmtheitsgebot.
Charta der Hamas. Punkt 20 der Charta kein Indiz.
Des Weiteren kann auch die Charta der HAMAS kein gewichtiges Indiz dafür sein, dass es sich bei der Parole um eine solche der HAMAS handelt. Punkt 20 der Charta enthält nur eine Gebietsbeschreibung unter Verwendung zahlreicher Sätze, darunter auch sinngemäß "From the river". Eine derartige beschreibende Verwendung der Wörter unter Punkt 20 der HAMAS Charta 2017 kann aber nicht als Parole verstanden werden, da es sich um einen motivierenden Leitspruch handeln muss. Dies folgt schon aus der begrifflichen Definition einer Parole. So wird der Begriff „Parole“ nach dem Duden definiert als „in einem Satz, Spruch einprägsame formulierte Vorstellung; Zielsetzung Gleichgesinnter; motivierender Leitspruch.
Keine Anhaltspunkte einer Verwendung durch Hamas.
Schließlich spricht gegen ein Zueigenmachen die Tatsache, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die HAMAS den Slogan zu sinnbildlicher propagandistischer Verwendung zugelegt hat sowie das der Symbolwert des Slogans durch Häufigkeit, Art und Anlass des Gebrauchs durch die HAMAS, beispielsweise bei Eingangs- oder Schlusslied bei offiziellen Anlässen, entstanden ist.
Eigenschaft und Wesen einer Parole.
Das Amtsgericht Düsseldorf setzt sich mit den vorbezeichneten Argumenten gerade nicht auseinander, sondern analysiert lediglich die Zielsetzung der Charta der HAMAS und ihre politischen Ambitionen. Es verkennt dabei die Eigenschaft und das Wesen einer Parole und schreibt diese rechtsfehlerhaft der HAMAS zu. Eine Zuschreibung durch Dritte genügt aber nicht.
Äußerungen ohne Gewaltaufruf sind im Zweifel zu schützen.
Meinungsäußerungen, die nicht zur Gewalt aufrufen oder diese verherrlichen, sondern einen Diskursbeitrag leisten, im Zweifel zu schützen. Des Weiteren kann dem Slogan „From the river to the sea – Palestina will be free” kein Aufruf zur Gewalt etc. entnommen werden. Es handelt sich um eine Befreiungsparole, die jedoch keine Lösungsansätze bietet und somit offenlässt, wie eine „Befreiung“ aussehen soll.
Keine Billigung von Straftaten.
Rechtsfehlerhaft ist die Annahme, dass die Parole von einem durchschnittlichen Betrachter nur als Solidaritätsbekundung mit den Anschlägen der HAMAS verstanden werden kann oder in einem engen zeitlichen und kommentierenden Zusammenhang mit den Anschlägen der HAMAS vom 07.10.2023 stehen. Denn zwischen den Anschlägen der HAMAS und dem Zeigen der Parole durch die Angeklagte liegen 4 Wochen dazwischen.
Kein enger und zeitlicher Zusammenhang.
Erforderlich für eine Strafbarkeit nach § 140 StGB ist aber, dass die Äußerung in einem kommentierenden, engen und zeitlichen Zusammenhang zu den in § 140 StGB genannten Taten steht. Davon kann hier keine Rede sein. Denn bei einem Zeitraum von mindestens 4 Wochen fehlt es an der zeitlich-gegenständlichen Nähe zwischen der Vortat und der Billigungshandlung.
Wie geht es weiter...?
BVerfG.
Verletzung Art. 5 GG
Grundrechte.
Für den Fall dessen, dass die Revision vor dem OLG Düsseldorf keinen Erfolg haben sollte und die Verurteilung meiner Mandantschaft durch das AG Düsseldorf bestätigt wird, werden wir vor das Bundesverfassungsgericht ziehen und Verfassungsbeschwerde einlegen. Meiner Rechtsauffassung nach werden die Grundrechte von den Amtsgerichten in solchen Fällen, aber auch von den Staatsanwaltschaften im Ermittlungsverfahren grob missachtet und die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG zu dieser Thematik völlig außen vor gelassen. Dabei handelt es sich bei Art. 5 Abs. 1 GG um ein "konstituierendes Grundrecht für die freiheitlich demokratische Grundordnung ist".
Verbotsverfügung dürfte teilnichtig sein.
Auch die Verbotsverfügung durch das BMI ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich und dürfte im Ergebnis teilnichtig sein. Denn mit dem Verbot des Slogans knüpft die Verfügung an den Inhalt einer politisch unliebsamen Meinungsäußerung an und dürfte damit gegen Art. 5 Abs. 1 GG verstoßen, insbesondere gegen das Verbot einer Zäsur aus Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG. Ebenso dürfte die Verbotsverfügung der staatlichen Neutralitätspflicht nicht genügen sowie gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verstoßen, da das Verbot auf eine politische Anschauung zielt. Ferner kommt ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz in Betracht (Art. 20 Abs. 3 GG).
Argumente gegen eine Strafbarkeit § 86a StGB
Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Thematik.
Die nachfolgenden Argumente, die für den vorliegenden Beitrag stark verkürzt wurden und an den Nichtjuristisch vorbelasteten Laien/ Normalbürger gerichtet sind, sind eine Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung die zu dieser Thematik verfügbar sind und eine Strafbarkeit des Slogans "From the river to the sea" verneint haben. Besondere Hervorhebung findet hier der Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Mannheim vom 29.05.2024 zur Frage nach der Strafbarkeit nach § 86a StGB. Die nachfolgenden Argumente die gegen eine Strafbarkeit nach § 86a StGB sprechen und weitestgehend dem Beschluss des Landgerichts Mannheim entnommen worden sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Beschluss Landgericht Mannheim vom 29.05.2024.
Das Landgericht Mannheim hat sich auf gut 14 Seiten mit der Frage der Strafbarkeit der Parole "From the river to the sea..." nach § 86a StGB beschäftigt und dabei sehr vorbildlich dargelegt, warum die Parole nicht der Hamas zugerechnet werden könne, welchen Ursprung die Parole hat, wie die Parole historisch einzuordnen sei, warum Punkt 20 der Hamas der Charta nicht ausreicht, um ihr den Charakter einer Parole zuzubilligen, was eine Parole auszeichnet und vor allem warum hier § 86a Abs. 4 StGB greift und warum selbst nach der sehr engen Auslegung des § 86a StGB durch die vom BGH entwickelten Leitlinie, eine Strafbarkeit nicht in Betracht kommt. Daneben setzt sich die 5. Strafkammer des Landgerichts Mannheim u.a. mit den Entscheidungen des OVG Bremen und OVG Mannheim auseinander, die eine Strafbarkeit des Slogans im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren bejaht bzw. für sehr wahrscheinlich gehalten haben - insgesamt eine Pflichtlektüre für die Staatsanwaltschaft und die Amtsgerichte.
1. Argument: Historischer Hintergrund
Slogan geht bis in die Gründungszeit der PLO zurück.
Historisch betrachtet geht der Slogan "From the river to the sea" auf die Gründungszeit der PLO in den 1960er Jahre zurück. Bei näherer historischer Betrachtung zur damaligen Gründungszeit der PLO sowie den politischen Absichten der Palästinenser kann der Parole „From the river to the sea“ gerade nicht entnommen und unterstellt werden, dass damit eine Vernichtung Israels beabsichtig sei sowie das Existenzrecht der israelischen Bevölkerung und des Staates Israel bestritten wird mit der Absicht, den Staat Israel zu eliminieren etc. Der Slogan bzw. die Parole "From the river to the sea", nimmt lediglich das historische Gebiet von Palästina, welches unabhängig von der politischen Zugehörigkeit für die Palästinenser Referenzpunkt ihrer historischen Heimat ist, in Bezug.
Einseitige Darstellung des Slogans durch Gerichte.
Die bisherigen Gerichtsentscheidungen erwecken den Anschein, dass der historische Kontext sehr einseitig dargestellt wird und der Ursprung und die Bedeutung des Slogans sehr unkritisch (!) von den Mainstream Medien – die mehrheitlich den Slogan als Israel feindlich oder Antisemtisch einstufen – übernommen werden. Die Bedeutung des Slogans für die Palästinenser wird dabei außen vorgelassen, der historische Ursprung und damit zusammenhängend die damaligen politischen Ziele, die nicht zwangsläufig mit den gegenwärtigen deckungsgleich sind, werden hierbei von den Gerichten nicht ausreichend beachtet und stattdessen die Tatsache besonders hervorgehoben, dass sich die Hamas 2017 diesen Slogan zu eigen gemacht hätte und der Urheber sei.
Missachtung der Rechtsprechung des BVerfG.
Die zu dieser Thematik veröffentlichten Gerichtsentscheidungen zeigen eine deutliche Tendenz dahingehend, den Slogan "From the river to the sea", trotz mehrdeutiger Interpretationsmöglichkeiten, im Zweifel als Israel-Feindliche Parole einzustufen und weitestgehend der Hamas zuzuschreiben. Obwohl die Rechtsprechung des BVerfG zur Auslegung von mehrdeutigen Kommentaren/ Aussagen eindeutig ist und im Zweifel der günstigeren Auslegung einer Aussage den Vorrang zukommen lässt (Grundsatz: Im Zweifel für Art. 5 GG), insbesondere dann, wenn es sich um ein gesellschaftspolitisches Thema handelt - wie hier im Fall - werden die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze von der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung mehrheitlich ignoriert und missachtet.
2. Argument: Slogan ist allgemein gehalten
Formelhafte Wendung.
Kein Bezug zur Hamas.
Bei dem Slogan "From the river to the sea" handelt es sich um eine Parole die von einer Vielzahl von Palästinensern benutzt wird und zwar weltweit. Mit dieser Parole wird eine politische Gesinnung zum Ausdruck gebracht die bis auf weiteres keinen Bezug hat zur Hamas. Da es sich um eine Ausdruck politischer Gesinnung handelt ist Art. 5 Abs. 1 GG – die Meinungsfreiheit – besonders in den Blickfeld zu nehmen und von den Gerichten zu beachten. Eine politische Gesinnung bzw. eine formelhafte Wendung unterliegt aber gerade nicht dem Tatbestand des § 86a StGB.
Slogan seit Jahrzehnten bekannt und verbreitet.
"From the river to the sea" dürfte als Slogan nahezu jedem Palästinenser bekannt sein. Richtig ist, dass der Slogan im Laufe der letzten 50 Jahre verschiedene Bedeutungen angenommen hat und einem historischen Wandel unterlag. Unter den jüdisch-israelischen Historikern besteht Einigkeit dahingehend, dass es wohl kaum einen Palästinenser gibt oder einen Unterstützer der Palästinenser, welcher sich mit dem Slogan „From the river to the sea, Palestine will be free“ als Befreiungsslogan nicht identifiziert. Denn der Slogan ist sehr allgemein gehalten und spricht lediglich das gewünschte Ergebnis aus, nicht jedoch wie eine Lösung hierzu aussehen soll.
Mehrdeutiger Inhalt. Slogan sehr allgemein gehalten.
Der Slogan kann sowohl dahingehend verstanden werden, dass damit der Wunsch der Palästinenser nach einer friedlichen diplomatischen Lösung/ 2 Staaten Lösung etc. zum Ausdruck gebracht werden soll – und zwar unabhängig davon, ob dieser wie in dem Fall meiner Mandantschaft fast einen Monat nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel erfolgt, wohingegen das Amtsgericht Düsseldorf gerade die gegenteilige Annahme vertrat und dem Slogan „From the river to the sea“ aufgrund eines engen Zusammenhang mit dem Angriff der Hamas im Oktober 2023 die Intention unterstellt hatte, dass damit der Staat Israel vernichtet werden soll - eine Unterstellung des AG Düsseldorf die sich nicht ansatzweise verifizieren bzw. beweisen lässt und meiner Mandantschaft eine feindselige Einstellung unterstellt.
3. Argument: Kein Zueigenmachen durch Hamas
Charta der Hamas ist kein Indiz.
Des Weiteren spricht gegen eine Strafbarkeit nach § 86a StGB die Tatsache, dass es am Zueigenmachen des Slogans zur Hamas fehlt. Die Hamas hat in ihrer Charta 2017 unter Punkt 20 einen identischen Satz mit aufgenommen, welcher jedoch nur sinngemäß, nicht wortgleich die Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer als Ziel äußert. In der Charta der Hamas lässt sich unter keinem der genannten Punkte der Satz „From the river to the sea, Palestina will be free“ wiederfinden. Auch Punkt 20 der Charta enthält lediglich Umschreibungen die das Ziel der Befreiung der Palästinenser zum Ausdruck bringen sollen, jedoch enthält Punkt 20 der Charta – auf die von den Gerichten immer wieder Bezug genommen wird, als Indiz für eine Kennzeichen der Hamas und ihrer Parole – lediglich eine Forderung nach der Befreiung der besetzten Gebiete.
Punkt 20 der Charta der Hamas.
„Die Hamas ist der Ansicht, dass kein Teil des Landes Palästina aufgegeben oder zugestanden werden darf, unabhängig von den Ursachen, den Umständen und dem Druck und unabhängig davon, wie lange die Besatzung andauert. Die Hamas lehnt jede Alternative zur vollständigen und uneingeschränkten Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer ab. Ohne ihre Ablehnung der zionistischen Entität zu kompromittieren und ohne auf irgendwelche palästinensischen Rechte zu verzichten, betrachtet die Hamas die Errichtung eines vollständig souveränen und unabhängigen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt nach dem Vorbild des 4. Juni 1967 und die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Häuser, aus denen sie vertrieben wurden, als eine Formel des nationalen Konsenses. Es gibt keine Anerkennung der Legitimität des zionistischen Staates.“
Punkt 20 der Charta enthält keine Parole
Nicht nur aus Sicht der Verfassers, sondern auch nach Ansicht des Landgerichts Mannheim, kann Punkt 20 der Charta gerade keine Parole/ Slogan entnommen werden, welcher sinnbildlich bzw. stellvertretend für die Parole „From the river to the sea" steht. Denn charakteristisch für eine Parole ist nach der Definition des Dudens, dass es sich „in einem Satz, Spruch einprägsam formulierter Vorstellung, Zielsetzung, Gleichgesinnter“ handeln muss oder vereinfacht gesagt: Es muss sich um einen motivierenden Leitspruch handeln. Daran fehlt es hier.
4. Argument: Sozialadäquanzklausel
Verweis auf § 86a Abs. 4 StGB
Darüber hinaus lässt sich hilfsweise und auch nur für den Fall, dass die Gerichte die bisherigen Argumente nicht für überzeugend halten, eine Strafbarkeit mit Verweis auf § 86a Abs. 3 iVm. § 86a Abs. 4 StGB verneinen. Nach dieser Norm scheidet eine Strafbarkeit aus, wenn die vorliegende Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient. Die Verwendung zu sozialadäquaten Zwecken ist nach Ansicht einiger Fachgerichte auch dann gegeben, wenn ein Zusammenhang zu der verbotenen Vereinigung nicht vorliegen.
Beispiel: Entscheidung des OVG Lüneburg
Beispielhaft lässt sich das an der Entscheidung des OVG Lüneburg vom 20.10.2020 festhalten, wo sich das OVG zu einer Strafbarkeit nach § 86a StGB und dem Zeigen von Öcalan-Bildern geäußert hat, welches das Zeigen von Öcalan Bildern als sozial-adäquat ansah und somit eine Strafbarkeit nach § 86a StGB verneint hatte. Das Fallbeispiel des OVG Lüneburg ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Beispiel: Entscheidung des VGH Hessen
Auch der VGH Kassel für das Land Hessen (VGH Hessen) ist bei seiner Entscheidung vom 22.03.2024 zur Frage nach der Strafbarkeit der Parole - jedoch nach dem VereinsG - von einer zulässigen Meinungsäußerung ausgegangen und begründete seine Entscheidung mit der Sozialadäquanzklausel und dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG, welches in besonderem Maße zu berücksichtigen sei, gerade dann, wenn eine solche Parole von gesellschaftspolitischer Bedeutung ist.
5. Argument: Teilnichtigkeit Verbotsverfügung
Bezug zur Verbotsverfügung.
Soweit die Staatsanwaltschaften in Ihrer Anklageschrift Bezug zur Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums nehmen oder aber die Gerichte bei den Urteilsgründe, so erscheint es höchst fragwürdig, ob eine Verurteilung nach § 86a StGB auf Grundlage einer Verbotsverfügung einer revisionsrechtlich bzw. verfassungsrechtlichen Prüfung Stand halten kann. Dennoch ist das gängige Praxis. Nicht nur in den Anklageschriften nehmen die Staatsanwaltschaften immer wieder Bezug zur Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums, sondern auch die Gerichte in ihren Entscheidungsgründen.
Gerichte müssen eigene Entscheidung treffen.
Zum einen sind die Gerichte daran gehalten in ihren Urteilsgründen die Frage zu beantworten, warum aus Sicht des Gerichts das zugrundeliegende Kennzeichen unter § 86a StGB fällt oder nicht. Unter keinem Umständen, kann das Gericht bei der Urteilsfindung lediglich Bezug nehmen zur Verbotsverfügung und sich darauf stützen, da nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Verbotsverfügung zwar auf der Rechtsfolgenseite zwingend ein Kennzeichnungsverbot zur Folge hat, die Frage, ob das jeweilige Kennzeichen gerade unter ein solches Verbot fällt, ausschließlich den Gerichten überlassen bzw. vorbehalten ist.
Teilnichtigkeit der Verfügung. Evidenter Grundrechtsverstoß.
Zum anderen dürfte die Verbotsverfügung auch Teilnichtig sein, jedenfalls bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken an der Verfassungskonformität der Verbotsverfügung. Indem das Verbot an den Inhalt einer politisch missbilligten und/ oder unbeliebten Meinung anknüpft, greift die Verfügung in das Grundrecht der Meinungsfreiheit an (Art. 5 Abs. 1 GG), welche verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann, insbesondere ist keine Vorschrift ersichtlich die den Anforderungen aus Art. 5 Abs. 2 GG genügen dürfte. Das Verbot dürfte auch mit Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG unvereinbar sein und auch der staatlichen Neutralitätspflicht nicht genügen sowie entgegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG auf eine politische Anschauung zielen. Darüber hinaus dürfte die Verbotsverfügung auch nicht dem Bestimmtheitsgebot genügen.
Läuft gegen Sie ein Ermittlungsverfahren?
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Schweigen! Kein Wort! Bitte schweigen Sie! Ein erfahrener Anwalt im Strafrecht wird Ihnen in dieser Situation in der Regel dazu raten, der Vorladung als Beschuldigter von der Polizei nicht nachzukommen und vorerst zu den erhobenen Vorwürfen zu schweigen. Es ist ratsam, den Termin bei der Polizei abzusagen oder durch einen Anwalt absagen zu lassen. Aber was viel wichtiger ist: Bitte schweigen Sie! Unterschreiben Sie bitte nichts! Stattdessen sollten Sie einen Rechtsanwalt kontaktieren und Ihn beauftragen.
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